Aufbautage

Aufbautage

“Vor allen Dingen muss der Mensch darauf sehen, dass er sich selbst fest und recht gewöhne. Wollte sich ein ungewöhnter und ungeübter Mensch so halten und so handeln wie ein gewöhnter, der würde sich ganz und gar verderben, und es würde nichts aus ihm. Wenn sich der Mensch erst einmal aller Dinge selbst entwöhnt und sich ihnen entfremdet hat, so mag er hinfort dann umsichtig all seine Werke wirken und sich ihnen unbekümmert hingeben oder Sie entbehren ohne alle Behinderungen: wenn der Mensch etwas liebt und Lust daran findet und er dieser Lust mit Willen nachgibt, sei’s in Speise oder Trank, oder in was immer es sei, so kann das bei einem ungeübten Menschen nicht ohne Schaden abgehen.“ (Meister Eckhart, DP, S. 88 f.)

Jede Bergwanderung geht irgendwann einmal zu Ende, spätestens dann, wenn die Vorräte ausgehen oder die „Pflicht“ zu Hause wieder ruft. Nur sehr wenige Menschen aus der „Zivilisation“ werden sich entscheiden, auf Dauer ein „kärgliches“ Almenbauernleben zu führen oder gar als Einsiedler auf einsamen Berghütten zu leben. Wir alle schätzen und lieben ja unser Leben hier „unten“ in den „Niederungen“ des Alltags“. Hier ist unser zu Hause, hier sind Familie, Freunde, hier ist unser Leben. Jetzt, nach Tagen der Einfachheit und des Verzichts auf gewohnten Komfort wird uns bewusst, wie schön und annehmlich unser Leben ist. Oder sein könnte, wenn wir es immer zu schätzen wüssten und uns weniger Sorgen machen würden. Solche und andere Gedanken gehen uns bei einem leichten Stück des Abstiegs, das Tal rückt schon in greifbare Nähe, durch den Kopf. Oben, am Anfang, ist doch recht schwer gefallen, nach den schönen Tagen auf dem Bergkamm den Rückweg einzuschlagen und nach unten zu gehen. Der Einstieg war steil und steinig, nur sehr langsam und vorsichtig konnten wir uns bewegen. Schmerzen in den Oberschenkeln, Knien und Muskelpartien, die lange Zeit nicht mehr beansprucht wurden, zwangen uns zu häufigen Verschnaufpausen. Jetzt, fast unten angelangt, beflügeln uns die Aussichten auf ein warmes Bad und einer zünftigen Brotzeit mit einer Weißweinschorle oder einem Cappuccino mit Apfelstrudel. Wir verspüren Leere in unseren Köpfen - eine wohltuende Leere, ohne die vielen „wichtigen Dinge“ aus Beruf und Privatleben.

Der Einstieg ins Essen
Nehmen Sie die Metapher vom Bergsteigen auf und betrachten Sie die nächsten Fastentage als Teil Ihrer Kur. Denn das „Abfasten“ oder „Fastenbrechen“ ist mindestens genauso wichtig wie die Tage zuvor und gehört zum Fasten unmittelbar dazu. Die Essenszeit ist der Alltag, und der ist oft schwieriger zu bewältigen als ein paar Tage Urlaub oder Hochgefühl. Genauso ist es beim Fasten. „Wir glauben nur zu gern, uns mit bewussten Perioden des Lebens aus der Verantwortung für das ganze übrige Leben stehlen zu können.“ Oft braucht es viele Fastenzeiten, um sich über die wichtige Phase des Aufbaus bewusst zu werden, so erging es mir und auch erfahrenen Fastenpersönlichkeiten, wie Dr. Rüdiger Dahlke. (Dahlke, 2004)
Der Körper muss jetzt wieder umschalten auf feste Kost. Nach dem Fasten fließen die Verdauungssäfte erst wieder allmählich. Die Verdauung kommt erst nach drei bis vier Tagen wieder richtig in Gang. Die vollständige Umstellung des Körpers ist erst nach einer Woche abgeschlossen. Vom Fastenden sind nun Geduld und Augenmaß verlangt.
„Jeder Dumme kann fasten, aber nur ein Weiser kann das Fasten richtig abbrechen“, soll der fastenerfahrene Schriftsteller Bernard Shaw gesagt haben. Dann wusste er, was er sagte. Während der Aufbautage merken Sie, wie Sie zwischen wenig Hunger oder Appetit und der Lust am Essen und naschen hin und her gerissen sind. Dies ist die entscheidende Zeit, bewusst neue Ess- und Trinkgewohnheiten anzunehmen.

Fasten, so sind sich „Schulmediziner“ und „Naturheilkundler“ einig, ist zur Behandlung von Übergewicht allenfalls als Einstieg in eine langfristige Ernährungsumstellung geeignet. Der Organismus ist auf Sparflamme eingestellt und verwertet jede Kalorie nach dem Fasten besonders intensiv. Deshalb ist ein behutsamer Aufbau wichtig. Der Gesamterfolg einer Fastenkur ergibt sich aber „erst aus der ganzheitlichen Umstimmung von Körper und Geist, der Entschlackung und Entgiftung des gesamten Organismus und besonders der Entfernung des Nährbodens für Krankheiten, der Krankheitsempfänglichkeit“. (Buchinger).

In den letzten Tagen haben Sie gelernt, besser auf Ihren Körper zu hören und wissen jetzt, dass man viel weniger Nahrung braucht als gemeinhin angenommen. Auch alle anderen Einflüsse, die das normale Leben anstrengend und stressig machen, kann man ein Stück weit hinter sich lassen. Aber in den Aufbautagen kann man den Erfolg der Kur riskieren. Durch Aufbaufehler kann es zu körperliche Beschwerden kommen, aber auch der geistig-seelische Ausgleich kann schnell verflogen sein. Deshalb alles einen Gang langsamer angehen als sonst, auch wenn es schwer fällt. Eine grundlegende Einstellung für die Aufbautage könnte sein: Ich brauche viel weniger zu essen als angenommen, ich brauche weniger Salz und ich nutze die reichhaltigen pflanzlichen Gewürze. Ich kann einen Gang langsamer schalten, mir mehr Zeit für mich und für meine Entscheidungen nehmen, ich kann mich zurück nehmen, zuhören und mich auf meine innere Stimme verlassen.
Beim Fasten nimmt man sich oft viel vor, will etwas verändern. Jetzt, wieder angekommen im „richtigen“ Leben, sieht man, dass es schwer ist, gewohnte Bahnen zu verlassen. Schließlich hat ja alles das, was man bisher gemacht hat, wie man sich ernährt und wie man gelebt hat, einen Sinn. Aber man kann doch viel verändern, indem man die Einstellungen, die man aus dem Fasten mitbringt, in das Leben weiter trägt: Körperbewusstsein, Wertschätzung, Vertrauen, Akzeptieren, Loslassen. Denn durch das Fasten hat sich bereits etwas verändert, und nach jedem neuen Fasten verändert sich wieder etwas.

Häufigste Aufbaufehler

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